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Was ein Bürgerrechtler Schülern zum Umgang mit Extremisten rät

Was tun, wenn Freunde sich dem Dritten Weg anschließen wollen? Stephan Krawczyk gab den Schülern der Rückertschule dazu praktische Hinweise. Von Erik Anke Plauen - Zum Einstieg singt Stephan Krawczyk zwei Lieder. Eins über einen Clown, dem mit Vorurteilen begegnet wird und ein zweites über einen Hund, der seine Liebe zu einem Huhn nicht ausdrücken kann. Was diese Lieder mit Rechtsextremismus und der gesellschaftlichen Spaltung zu tun haben, klärt der Liedermacher und Autor im Laufe von zwei Doppelstunden vor Schülern der achten und neunten Klasse in der Rückertschule am Donnerstagmorgen auf. Nur wenige 100 Meter von der Oberschule entfernt, befindet sich die Parteizentrale der rechtsextremen Kleinstpartei Dritter Weg. Wie sehr diese vielen Anwohnern missfällt, zeigte jüngst eine Umfrage der Stadtverwaltung. Krawczyk trägt aus seinem Buch „Mensch, Nazi“ vor. Für dieses Buch unterhielt er sich mit dem Szene-Aussteiger Klemens. Dessen Geschichte führt die Schüler aus dem Ost-Berlin der Wendezeit über familiäre Zerwürfnisse und einen Umzug nach Mecklenburg-Vorpommern in eine nationalsozialistische Freundesclique. Diese bot ihm Halt und eine Gemeinschaft, die er sonst nirgends kannte. Weder in der Familie, noch im weiteren Umfeld. Dieses Gemeinschaftsgefühl, so Krawczyk, sei in vielen Fällen wichtiger als jede Ideologie. Auch andere Szenen würden so funktionieren, verweist er auf Linksextremismus und Islamismus. Klemens wurde durch die Hierarchie in der Kameradschaft zwar dazu motiviert, eine Ausbildung zum Maurer abzuschließen, doch die Trostlosigkeit der Szene bewegte ihn schließlich zum Ausstieg. Um solche Lebenswege zu vermeiden, stellt Stephan Krawczyk zwei Ansätze in den Mittelpunkt. Zum einen möchte er die jungen Menschen unterstützen, selbstständig zu denken. „Mit meinen Liedern und Geschichten will ich in den Schülern innere Widersprüche wecken, an denen sie ihren Charakter bilden können“, erklärt er sein Vorgehen. Häufig hielten sich die Menschen im Land mit ihrer Meinung zurück oder senkten die Stimme, wenn es um bestimmte Themen gehe. „Aber das ist gerade falsch. So etwas erinnert mich ein wenig an die DDR-Zeit und das müssen wir überwinden.“ Meinungsstarke und widerstandsfähige junge Menschen seien nicht so anfällig für Ideologien jeder Art, ist er überzeugt. Als zweites Bollwerk gegen Radikalisierung hat Krawczyk das Umfeld der Betroffenen ausgemacht. Auf die Fragen der Schüler, wie man am besten reagieren solle, wenn ein Mitschüler solchen Ideologien folgt, antwortet er ausführlich: „Am wichtigsten ist es, sie nicht auszugrenzen. Man sollte ihnen auch eine Gemeinschaft bieten, damit sie eine Alternative zur radikalen Szene haben.“ Politische Themen sollten dafür erst mal ausgespart bleiben. „Versucht einfach, das Trennende nicht in den Mittelpunkt zu stellen. Stattdessen kann man langsam Vertrauen aufbauen und das Thema später wieder aufgreifen“, rät der Autor. Dies sei zwar ein langer Prozess, aber besser als die „Methode Holzhammer“, nach der heute oft verfahren würde. Spätestens hier wird den meisten Schülern klar, wie der vorverurteilte Clown und die Fabel der beiden Tiere, die nicht die gleiche Sprache sprechen, zum Thema Extremismus passen. Kommunikation und Unvoreingenommenheit ziehen sich als roter Faden durch die Hilfestellungen Krawczyks. Die Jugendlichen interessieren sich auch dafür, was aus Klemens geworden ist. Mit ihm habe er noch lange nach dem Gespräch Kontakt gehalten, erzählt Krawczyk. Klemens sei nach seinem Ausstieg um die Welt gereist, um die Menschen und Kulturen kennen zu lernen, welche er zuvor so ablehnte. „Persönliche Erfahrungen sind gut, um Vorurteile aufzubrechen“, weiß der Autor. Er ist bereits seit 25 Jahren mit unterschiedlichen Programmen in Schulen zu Gast. 1988 war Krawczyk in der DDR von der Stasi verhaftet und in die Bundesrepublik abgeschoben wurden. 2019 erhielt er von Bundespräsident Steinmeier das Bundesverdienstkreuz am Bande als Würdigung seines Engagements für die Meinungsfreiheit.

Quelle: Freie Presse 04.11.2022

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